Snus: Sorgloser Umgang und seine Folgen
Möglich gemacht wird das dadurch, dass die Nikotin-Beutelchen auffallend sorglos an Minderjährige verkauft werden. Dabei sind sie gefährlicher, als sie beworben werden: Sie bergen nicht nur erhöhtes Suchtpotenzial, sondern auch Gefahr für die Gesundheit.
(Quelle: Vorarlberg.ORF.at, von Katharina Bathlogg, 5.4.22)
Wie leicht Minderjährige an Alkohol oder Nikotin kommen, wird bei Testkäufen ermittelt. Das sogenannte „Mystery Shopping“ zeigte, dass Minderjährige – neben Alkohol und Zigaretten – insbesondere relativ einfach an Snus kommen. Andreas Prenn, Leiter der Supro-Werkstatt für Suchtprophylaxe, nennt dafür zwei Gründe: „Einerseits ist es eine Frage der Sensibilisierung, andererseits haben wir in der Gesetzgebung ein massives Problem.“
Snus als „rauchfreie Alternative“
Snus gilt weithin als rauchfreie Alternative des Tabakkonsums. Beim originalen Snus (Oraltabak), der ursprünglich aus Skandinavien stammen, handelt es sich um kleine Säckchen, die mit Tabak, Wasser, Salz – und je nach Geschmacksrichtung – mit Aromastoffen gefüllt sind.
Diese Pölsterchen werden zwischen Zähne und Lippe geschoben, wodurch das Nikotin über die Mundschleimhaut aufgenommen wird. Dabei kann ein Päckchen – je nach Dosierung – so viel Nikotin wie mehrere Zigaretten enthalten. Es handelt sich um kleine „Nikotin-Bomben“, denn tendenziell wird vom Körper – im Gegensatz zum Rauchen – eine größere Menge des Nervengifts direkt aufgenommen.
Dadurch birgt Snus großes Suchtpotenzial: Der starke Kick für die Nerven fördert besonders bei Jugendlichen die Aktivierung des Suchtgedächtnisses. Prenn warnt daher: Wenn Jugendliche Snus konsumieren, sei die Gefahr groß, dass sie nicht mehr damit aufhören könnten.
Verkauf in Österreich eigentlich per Gesetz verboten
Grundsätzlich verbietet das Tabakgesetz in Österreich den Verkauf von „Tabak zum oralen Gebrauch (Snus) und Kautabak“. Warum also kann hierzulande trotzdem Mundtabak erworben werden? Was in Österreich als Snus verkauft wird, sind keine Tabak-, sondern Nikotinbeutelchen.
Diese Beutelchen seien mit Pflanzenfasern (wie beispielsweise Eukalyptus) gefüllt und mit Nikotin bedampft. „Dadurch, dass diese Nikotinbeutelchen tabakfrei sind, wurde eine Lücke geschaffen“, so Christian Rettenberger, Suchtberater bei Supro.
Überarbeitung des Jugendschutzgesetztes gefordert
Im österreichischen Jugendschutzgesetz ist zwar geregelt, dass an Jugendliche unter 18 Jahren keine Tabakprodukte verkauft werden dürfen. Die Formulierung des Verbotes im Gesetzestext, das „Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse“ umfasst, decke die Nikotinbeutelchen allerdings nicht ab, erläutert Prenn.
Dies erklärt der Experte damit, dass es 2018 – als das Gesetz überarbeitet wurde – Produkte wie diese noch gar nicht gegeben habe. Dementsprechend sei eine Nachschärfung des Gesetzes erforderlich. Man sei sich einig, dass es Minderjährigen verboten sein sollte, Tabak und Nikotin zu konsumieren, also müsste es Prenn zufolge ein Leichtes sein, die Formulierung zu ändern.
Gesundheitliche Folgen weitgehend unbeachtet
Trügerisch sei, dass Snus als weniger schädlich als Rauchen beworben würde. Zwar würden keine Begleiterscheinungen durch Tabakverbrennung (wie die Schädigung der Lunge) auftreten, doch: „Es gibt keinen schadenfreien Nikotinkonsum“, betont Rettenberger.
Abgesehen vom stark erhöhten Suchtpotenzial könne man Verfärbungen der Zähne, den Rückgang des Zahnfleischs (Parodontose) oder im Extremfall sogar Zahnausfall beobachten. Nicht zu vergessen sei, dass alles, was durch Mund oder Nase konsumiert werde, irgendwann im Magen landen würde – und so krebserregende Stoffe in Mundhöhle, Speiseröhre, Magen- und Darmtrakt gelangen würden.
Ruf nach Aufklärung
Der Nichtraucherschutz wird immer stärker, die Raucherzahlen gehen zurück – doch die Zahl der Snus-Konsumenten steigt an. Auch an Schulen sei dies ein großes Thema: Rettenberger berichtet von einer regelrechten „Welle“ im Bildungsbereich. Denn eine juristische Grundlage für für den Besitz oder den Umgang mit den Nikotinbeutelchen gibt es nicht – weder im Gesetz noch in der Schulordnung. Nur in der jeweiligen Hausordnung können eine Vereinbarung oder ein Verbot festgelegt werden.
Nicht nur Schulen, sondern auch einzelne Lehrpersonen würden aber auf diese Entwicklungen reagieren, so Rettenberger weiter. Dementsprechend würden mehrstufige Workshops angeboten werden, um Jugendliche für die mit Suchtmitteln verbundenen Gefahren zu sensibilisieren.
Thematik findet Gehör im Vorarlberger Landtag
Die SPÖ greift mit dem Start ihrer Initiative zum besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen die Thematik auf. Konkret wird gefordert, dass die landläufig als Snus bekannten Nikotinbeutel vom Jugendschutzgesetz erfasst werden.
„Diese Nikotinbeutel werden ohne große Hürden an Minderjährige verkauft. Dahinter steht ein ausgeklügeltes Marketing und viel Geld. Besonders unter Jugendlichen nimmt der Konsum zu. Das Suchtpotenzial und die gesundheitlichen Risiken sind groß“, weist SPÖ-Jugendsprecherin Elke Zimmermann auf die Dringlichkeit hin.